Der Wert der Compliance: Das neue deutsche Gesetz zur Unternehmensintegrität
Das neue "Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft" ist ein Meilenstein für die Corporate Compliance in Deutschland. Das Land wird bald über ein Strafrecht verfügen, mit dem es Unternehmen sanktionieren kann - und nicht nur, wie bisher, Bußgelder verhängen kann. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, wird es die deutsche Gesetzgebung mit der der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs in Einklang bringen.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat mehrere Lücken im bestehenden Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) als Grund für die Einführung der neuen Gesetzgebung ausgemacht, insbesondere:
- eine unzureichende Möglichkeit, sinnvolle Geldsanktionen zu verhängen, da die Obergrenze bei 10 Millionen Euro liegt
- das Fehlen spezifischer und angemessener Regeln für die Verhängung von Geldsanktionen gegen Unternehmen
- keine rechtlichen Anreize für Unternehmen, in die Einhaltung der Vorschriften zu investieren
- das Ermessensprinzip im OWiG zu einer uneinheitlichen und ungleichen Verfolgung von Wirtschaftskriminalität geführt hat
- die Unfähigkeit, im Ausland begangene Straftaten konsequent zu verfolgen
- überholtes Verfahrensrecht.
Im Folgenden werden die neuen Bestimmungen des Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft erläutert.
Einführung von Unternehmensdelikten
Ein Unternehmensdelikt gilt als begangen, wenn eine strafbare Handlung vorliegt:
- die rechtlichen Verpflichtungen des Unternehmens verletzt hat
- das Unternehmen bereichert hat oder dazu bestimmt war, es zu bereichern.
Dazu gehören auch Menschenrechtsverletzungen, Umweltkriminalität und Wettbewerbskriminalität.
Sanktionen können gegen ein Unternehmen verhängt werden, wenn eine Person der oberen Führungsebene selbst eine Straftat im Unternehmen begeht. Eine Unternehmenssanktion kann auch verhängt werden, wenn eine Person, die nicht der obersten Führungsebene angehört, eine Straftat im Unternehmen begeht und es an Präventivmaßnahmen wie Schulung, Überwachung und Auswahl mangelt.
Anhebung der Obergrenze für Geldsanktionen
Auch der Rahmen für finanzielle Sanktionen erfährt eine wesentliche Änderung. Derzeit können über das OWiG Geldbußen von bis zu 10 Mio. EUR verhängt werden. Diese Obergrenze bleibt für Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 100 Mio. EUR bestehen; für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. EUR sind jedoch nach den neuen Rechtsvorschriften Geldbußen von bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes weltweit möglich.
Außerdem können bis zu 100 % des durch die begangene Handlung erzielten Gewinns eingezogen werden. Dies sollte weiterhin als Abschreckung für Unternehmen und Einzelpersonen dienen, die der Meinung sind, dass die Gewinne die Strafen überwiegen (wie z. B. die 2,3 Mrd. USD an Bußgeldern und Strafen, die Pfizer 2009 für die Off-Label-Vermarktung von vier Medikamenten gezahlt hat, was nur 14 % der 16,8 Mrd. USD ausmachte, die das Unternehmen zwischen 2001 und 2008 mit dem Verkauf dieser Medikamente eingenommen hat).
Mehr Optionen und Flexibilität bei der Verhängung von Sanktionen
Nach dem Vorbild des US-amerikanischen Compliance Monitor soll das BMJV befugt sein, Geldsanktionen auszusetzen und Verwarnungen mit möglichen Auflagen auszusprechen. Diese Bedingungen könnten darin bestehen, dass ein Unternehmen angewiesen wird, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um künftige Straftaten des Unternehmens zu verhindern, und dass es die Einhaltung der Vorschriften durch eine Zertifizierung durch eine zuständige Stelle nachweist.
Die neuen Rechtsvorschriften ermöglichen die Veröffentlichung einer rechtskräftigen Verurteilung im Register der Unternehmenssanktionen. Dieser Eintrag wird in der Regel nicht veröffentlicht, sondern steht ausgewählten Behörden zur Verfügung. Wenn eine begangene Handlung jedoch einer großen Zahl von Personen Schaden zufügt, wird die Verurteilung des Unternehmens öffentlich bekannt gemacht.
Berücksichtigung von Compliance-Programmen und internen Untersuchungen des Unternehmens
Bei der Prüfung von Geldsanktionen wird Folgendes berücksichtigt:
- Vorsichtsmaßnahmen, die vor der Straftat getroffen werden, um Straftaten zu verhindern und aufzudecken
- Engagement für die Aufdeckung von Straftaten und die Wiedergutmachung von Schäden
- Vorsichtsmaßnahmen, die nach einer Straftat getroffen werden, um künftige Straftaten zu verhindern und aufzudecken.
Selbst wenn ein Compliance-Programm eine Straftat nicht verhindern oder erschweren konnte, wird der Nachweis, dass man sich für die Einhaltung der Vorschriften einsetzt, berücksichtigt. Unternehmen, die sich selbst offenlegen, Maßnahmen zur Schließung von Lücken ergreifen und zur Aufklärung beitragen, können Anreize geboten werden.
Durch die Durchführung interner Untersuchungen können Unternehmen Geldstrafen um bis zu 50 % reduzieren:
- uneingeschränkte Zusammenarbeit mit der Vollzugsbehörde
- Beauftragung eines unabhängigen Dritten mit der Durchführung einer internen Untersuchung
- Übermittlung des Abschlussberichts an die Durchsetzungsbehörde, einschließlich der Ergebnisse und Dokumente nach Abschluss der Untersuchung
- Durchführung von Untersuchungen unter Einhaltung der Grundsätze eines ordnungsgemäßen Verfahrens, des Datenschutzes und des Arbeitsrechts.
Fremde Elemente
Die neuen Rechtsvorschriften ermöglichen die strafrechtliche Verfolgung von:
- Unternehmen mit Sitz außerhalb Deutschlands, sofern die begangene Straftat auf das deutsche Strafrecht übertragbar ist
- Straftaten, die von in Deutschland ansässigen Unternehmen im Ausland begangen werden, wenn die Straftat:
- bei Begehung in Deutschland nach deutschem Strafrecht eine Straftat darstellen würde
- ist auch in dem Land, in dem sie begangen wurde, eine Straftat.
Wie sollten sich Unternehmen vorbereiten?
Da die Vorteile von Compliance-Systemen bisher in keinem deutschen Gesetz erwähnt werden, verfügen viele deutsche Unternehmen nicht über eine Compliance-Struktur. Aus Sorge um die Kosten für die Einführung solcher Systeme schrecken einige Unternehmen davor zurück, dies in Angriff zu nehmen.
Mit der Einführung der neuen Gesetzgebung sagt das BMJV im Wesentlichen, dass jedes in Deutschland tätige Unternehmen ein Compliance-Programm haben sollte, wenn es die Strafen für strafbare Handlungen minimieren will. Obwohl es derzeit an Leitlinien für die Strukturierung eines Compliance-Systems mangelt, kann davon ausgegangen werden, dass sich künftige Leitlinien an denen orientieren werden, die in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich bereits bestehen.
Deutsche Unternehmen und in Deutschland tätige Unternehmen können sich auf die Umsetzung des neuen Gesetzes vorbereiten, indem sie:
- das Verständnis ihrer Compliance-Risiken
- die Einführung eines Systems zur Einhaltung der Vorschriften oder, falls bereits ein System vorhanden ist, die Überprüfung oder Erweiterung dieses Systems.
Unternehmen, die zum ersten Mal ein Compliance-System einführen, müssen:
- ihre Compliance-Risiken zu verstehen und zu analysieren
- Einführung von rollen- und risikobasierten Compliance-Schulungen in den wichtigsten Compliance-Risikobereichen
- Einführung sicherer, unabhängiger Kanäle, die Anonymität gewährleisten und einen zweiseitigen Dialog für die Meldung von Bedenken nicht nur durch Mitarbeiter, sondern auch durch andere Interessengruppen wie Lieferanten, Kunden, Händler und Aktionäre ermöglichen
- robuste Untersuchungs- und Fallmanagementprozesse zu entwickeln.
Auch die Systeme zur Einhaltung der Vorschriften müssen regelmäßig überprüft und kontinuierlich verbessert werden.
Investitionen in die richtigen Compliance-Systeme können Unternehmen Zeit und Geld sparen und das Risiko von Rufschädigung, Kunden- und Gewinnverlusten sowie finanziellen Strafen minimieren.
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